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Thüringer Dekameron Kurzgeschichtenentwurf „Der Rammler“


Coverentwurf Thueringer Dekameron
Coverentwurf

Der Rammler

Heinz, der Besamer aus Urnshausen in der Thüringer Rhön, der die Trächtigkeit der Kühe schon vor dem Stall riechen kann, kommt an einem verregnetem Sommerabendfreitag kurz vor der Tagesschau mit schmierigen Reifen nach Hause gefahren und fährt rückwärts auf sein Grundstück mit seinem schweren Jeep.

Heinz ist gedrungen, 1,65, hat breite und massige Schultern, jedoch nicht plump. Seine voll abgerundete Hinterpartie wackelt beim Laufen wie bei einer italienischen Diva auf dem Roten Teppich. Sein Nacken ist kräftig und kurz; der Kopf ist ohne sichtbaren Hals dicht am Rumpf angesetzt. Fast wie bei seinem Hund Pluto. Er muß aufpassen beim Rückwärtsfahren. Sein großer Rottweiler Rüde Pluto hat vor der Garage so was wie einen großen grauen Lappen in der Schnauze und schüttelt den Lappen wie irr hin und her in der Luft und durch den Dreck des unbefestigten Hofes.

Heinz steigt aus, eilt ärgerlich zum Hund, der ihm beim Fahren in die Garage im Wege steht und entwindet dem Hund ein lebloses Tier mit großen Ohren aus seiner großen Schnauze. Heinz nimmt den Gartenschlauch von der Wand neben der Garage und spritzt das komische große Tier ab.

Die Zeit wird knapp für Heinz, denn Heinz rammelt freitags nach der Tagesschau nach einem seit der Hochzeit festgelegtem Ritual regelmäßig seine Frau, die regelmäßig dabei so schreit, dass es durch die Wände des alten Bauernhauses bis zum Nachbarn Hansi tönt, der stets zu diesen Lauten den Vorwurf seiner Frau vorgebrezelt bekommt: „Nehm dir ein Beispiel an deinem Nachbarn Heinz!“

Nachbar Hansi, der vier Söhne wie kräftige Orgelpfeifen  hat, ist immer regelmäßig sauer darüber, denn Heinz, der gleichaltrige Besamer hat keine Kinder, „nicht mal eine mickrige Tochter“ sagt regelmäßig der lange dürre schmallippige Hansi zum Kommentar seiner Frau. Hansi züchtet Deutsche Widder, wildfarben seit mehr als 20 Jahren. Zur Zucht nimmt er nur Tiere mit einem Gewicht von über 6 kg. „Dies ist sehr wichtig, da die Tiere sonst durch die Linienzucht sehr schnell zu klein werden.“ meint er.  Seine preisgekrönten Deutschen  Widder erreichen fast immer etwa 8 kg, manchmal Zehn.

Ärgerlich hat er kürzlich deshalb über den Hasenkäfig seines  oft prämierten Spitzenrammlers mit großen Nägeln ein großes Schild mit der Aufschrift „Hasenheinz“ genagelt. Hasenheinz heißen in Thüringen oft die besten Rammler.

„Hasenheinz“, ist ein Deutscher Widder. Sein Körper ist gedrungen, breit und massig, jedoch nicht plump. Der Rumpf erscheint kurz und breitschultrig mit ausgeprägter. voll abgerundeter Hinterpartie. Die Zugehörigkeit zum Typ der großen Rassen kommt mehr durch die Rumpfbreite als durch die Länge zum Ausdruck. Der Nacken ist kräftig und kurz; der Kopf ist ohne sichtbaren Hals dicht am Rumpf angesetzt. Die Läufe sind verhältnismäßig kurz, sehr kräftig und werden gerade aufgesetzt. Der Körperbau seiner Häsinen ist etwas feiner als beim Rammler, doch haben sie einen ebenso massigen Rumpf und eine gut geformte Wanne. Der Rücken verläuft ebenmäßig bis zur Blume in einer gleichmäßig abgerundeten Linie. Die Brustpartie ist gut ausgebildet und voll gerundet. Gut gewölbt erscheint die Rippenpartie. Die Hinterschenkel liegen fest am Körper an. Der Hals tritt nicht in Erscheinung. Die Blume ist geschmeidig; sie ist gerade, aufrecht und an den Hinterkörper angelegt. Der Körper der Hasen mit den überlangen Ohren sind frei vom Boden von kräftigen und geraden Läufen getragen. Die Schulterblätter liegen fest am Körper an und schieben sich bei der Bewegung nicht auf und ab. Die Hinterläufe stehen parallel zum Körper, die Schenkel sind fest angelegt.

Das leblose Tier, was von seinem Pluto mit den großen Zähnen maletriert wurde, ist „Hasenheinz“ der Rammler vom Nachbarn Hansi. Heinz ist furchtbar erschrocken über die Untat seines großen Hundes und steigt in der Nacht über den Zaun zu Nachbarn, nachdem er den Hasen mit dem Fön seiner Frau schön gründlich trocken gefönt hat.Er öffnet die Box und legt das leblose Tier auf das noch frische trockene Heu des Stalles und steckt dem Hasen eine sich noch dort befindliche Möhre in das Maul.

Am anderem Tag, am Freitag Vormittag  scheint die Sonne wieder und Besamer Heinz sieht Hansi auf seinem Hof Zigaretten rauchend in hektische Selbstgespräche vertieft hin und her laufen. Mit einem begründetem schlechten Gewissen ruft er scheinheilig über den Zaun „Hansi, bas ist da los bei deu?“ Hansi kommt zum Zaun und sagt ganz verzweifelt: „Gestern ist mein bester Rammler verreckt, ich habe ihn hinter dem Haus auf dem Acker vergraben. Na ja, fast elf Jahre war er, es ja war ab zu sehen, ich habe ihn nicht vorher schlachten können – es war mein bester Rammler! Vorhin will ich in seine Box einen jüngeren Rammler verlegen, da sitzt der alte tote Rammler wieder drin und frißt eine Möhre!“

© Richard Hebstreit 211