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Der Katasterrat, die entwesteten Schätze und die Pistolen…?


Kempe hieß der erste Mann von Martha, von dem sie ihren ersten Nachnamen im WK II hatte. Bei Walther in ZellaMahlis war er Meister für Hartschalenteile, die in Salzungen in der Honigbach in einer Baracke bei den Hoffmanns gepresst wurden. Die Bakelitpresse stand in einem Schuppen auf dem Hof und machte wenig Krach. Es roch nur dort komisch nach Essig, erzählte mein Großvater. Zehn polnische „Fremdarbeiter“ Frauen saßen jeden Tag in der geodätischen Position: 50.805516, 10.231346 in zehn Stunden an einem großen Tisch und entgrateten die Griffschalen für die PPK. Dann war der Krieg zu Ende und keiner brauchte mehr in Deutschland erst mal dringendst Pistolenteile. Die Presse wurde geklaut, die polnischen Frauen fuhren nach Hause und Flüchtlinge zogen in die Baracke ein. Kempe kam nicht mehr aus dem Krieg zurück und seine Frau Martha heiratete einen Mann aus Hermannstadt/Sibiu in Rumänien, der sich nach Eisenach als Wehrmachtzivilangestellter verirrt hatte.

Der heiratete dann nach 1945 die Marta und machte ihr einen Sohn, den Werner, der mir um 1979 diese komische verdrehte nachfolgende Geschichte zum Teil erzählte, wegen einer Kiste voller Pistolen, Schätze der umliegenden Burgen und Schlösser, einem verrückten Amtsrichter aus Bad Salzungen, der sowas wie nach der Idee des durchgedrehten König Ludwig von Bayern, ein Mini-Neuschwanstein auf den Frankenstein bei Salzungen bauen wollte. Die Salzunger waren aber zu knickrig für eine, wenn auch sehr kleine Ritterburg. Der Amtsrichter Dr. Höfling belatscherte dann doch um 1881 die Salzunger wenigstens ein Achtel Ritterburg, eine Kunstruine zu bauen. Die Idee kam Dr. Höfling wohl zu Feierabend in der oberen Etage des Salzunger Amtsgerichtes zusammen mit dem Katasterrat Max Halbig. Die tief liegende Sonne schien am Abend so nett auf den Frankenstein. Mit der „Heimatwarte“, einer Beilage des Salzunger Tageblatts, machte man öffentlichen Dampf, denn Katasterrat Max Halbig hatte es ein wenig mit der Kunst und konnte nicht nur die allerschönsten Flurpläne vermessen und zeichnen, er zeichnete auch „Die Frankensteiner Ruine der Zukunft im Abendsonnenschein“. Dieses Bild erschien mit einem Aufruf von Dr. Höfling in einer Salzunger Zeitung. Zusammen mit einer Sammelliste fand die Zeichnung angenehmste Verbreitung in Salzungen und dem Umland. „So trug Katasterrat Max Halbig zur Realisierung der Kunstruine bei.

Max Halbig war verheiratet mit Camilla von Todenwarth. „Max Halbig, geboren am 2. September 1837, zeichnete bereits als Kind und Jugendlicher viel und gut. Walzwerke, verfallene Burgen oder den Eingang zur Wartburg. Nach dem Studium in Jena arbeitete er 1860 als Landvermesser in Meiningen, 1872 erfolgte der Umzug nach Salzungen. 1866 heiratete er Camilla von Todenwarth, mit der er sieben Kinder bekam und für die er 1870 ein großes Haus mit viel Garten errichten ließ. In den unteren Räumen mietete sich im April 1879 das hiesige Katasteramt ein. Camilla starb mit gerade mal 35 Jahren. Damit die Kinder versorgt waren, heiratete Max Halbig 1884 Emma Heine.“ „Ehrenamtlich übernahm er später den Entwurf und Bau des Denkmals für die Salzburger Gefallenen im Deutsch-Französischen Krieg von 1870 bis 1871, gründete 1900 dafür ein Komitee und schickte Skizzen und Entwürfe an den Meininger Herzog Georg zur Beurteilung. Der segnete den „Turm“ ab!

1909, mit 71 Jahren, starb der Katasterrat. Sein Grundstück mit dem Haus wurde an das Erzbistum Würzburg verkauft und 1923/24 die katholische Kirche St. Andreas im barocken Stil errichtet. Das ehemalige Wohnhaus der Halbigs ist heute das Pfarrhaus.

So, jetzt geht diese durchgedrehte abenteuerliche Geschichte aber erst richtig los. Und zwar nach dem 04. Mai 1945, als die Amerikaner Bad Salzungen besetzten. Man wusste schon damals, dass nach wenigen Wochen die Rote Arme den bisher gemütlichen Besatzungszustand übernimmt und es kein Geheimnis war, dass die Russen mächtig viel Beute machen wollen. Ein Unternehmer, Fritz Walther aus Zella Mehlis, ahnte Schreckliches, verkaufte die Feste Todenwarth an eine Haushälterin und Gouvernante und verschwand mit Belegschaft, den Produktionsunterlagen, sowie Teilen seines Privatbesitzes nach Ulm zu einem Neuanfang.1886 gründete nämlich schon Carl Walther in Zella St. Blasii, heute Ortsteil von Zella-Mehlis, die Carl Walther-Waffenfabrik. Darüber hinaus wurden zwischen den Jahren 1924 und 1974 Rechenmaschinen hergestellt. Berühmt wurde die Carl Walther-Waffenfabrik wegen der Wather PPK, einer Polizeipistole, mir der später sogar James Bond herum fuchtelte. Im Krieg wurde in Hamburg, bei Wasungen und per Heimarbeit in ganz Thüringen produziert. Manche falteten nur Schachteln, wickelten Federn oder arbeiteten wie bei Hofmanns irgendwelche komischen Teile nach.

Aber nun noch mal zu 1945. Es sprach sich blitzschnell in Deutschland in der absoluten Oberschicht und im Hochadel herum, das die Rote Armee eine clevere und effektive Trophäenkunstabteilung im Einsatz rund um die Uhr hat. Sie hatten die neusten erbeuteten Straßenkarten und ein Beutekunstkataster mit jeder Burg, jedem Schloss und jeder Fabrikantenvilla. Schon im Juni ging die Hatz los und besonders die Thüringer Spediteure und Bahnspediteure wurden beauftragt, Kunstgut aus Thüringen in Richtung Hessen und Bayern schleunigst verschwinden zu lassen. Die Amerikaner tolerierten das und waren selber daran interessiert, dass technologische Innovationen besser in den westlichen Besatzungszonen aufgehoben sind. In der Vorahnung des Kalten Krieges sortierten sich schon mal bedeutende Industrievermögen, Patente und kultureller transportabler Besitz. Man wusste, was in Sachsen, Preußen und Brandenburg damals missliches passierte. „Zum Beispiel mal Schloss Karnzow bei Kyritz. Der Besitzer, Graf Königsmarck, nimmt sich kurz vor der Besetzung und Plünderung seines Schlosses das Leben. Als die russischen Soldaten in die Kellergewölbe des Gebäudes hinab steigen, stehen sie dort Teilen einer der wertvollsten grafischen Sammlungen der Welt gegenüber: Der Offizier Viktor Baldin schneidet je ein Werk von Albrecht Dürer und Francisco da Goya aus den Rahmen und steckt mehrere Druckgrafiken ein. Gegen Armeestiefel erhält er von Kameraden unter anderem den Christuskopf von Dürer. Nach dem Krieg übergibt Baldin die Kunstwerke dem Moskauer Architekturmuseum“

Und in Salzungen und Umgebung? Manche Schlösser und Villen wurden von den Nachbarn und Flüchtlingen damals mehrfach geplündert, als die Eigentümer, so ab Juli 1945 weg waren. Kleinere „Vermögende“ die nicht entwesteten, verbuddelten das Familiensilber im Garten oder versteckte die fette Münzsammlung unter den Betten. Mein Großvater hatte einen Schuhschrank mit doppelten Boden, wo er vor mir in den 50er Jahren die Westschokolade von seiner Tochter versteckte. In der Spedition gab es eine Remise, da stapelte sich bis Mitte der 50er Jahre herrenloses Umzugsgut aus Ostpreußen und Schlesien. Manches Umzugsgut wurde feucht, vergammelte und wurde nach der Enteignung der Firma weggeworfen. Ich selber habe den feinen Biedermeiersekretär Großvaters um 1967 aus dem Fenster geschmissen und verheizt.

Um 1979 kommt eines Tages der Werner Hartmann vom Baumschulenweg zu mir und meinte, ich soll mal rüber kommen. Er wohnte ja gar nicht weit. Als ich dort anlangte, stand auf einem Tisch eine stabile Kiste, die mit zwei Schlössern verschlossen war. Er meinte, als er sie aufgeschlossen hatte, dass ich das ja als „Waffenexperte“ kenne, was in der Kiste liegt. Ich habe fast Herzrasen bekommen. Die Kiste wog um die fünfunddreißig Kilogramm und war bis zum Rand in feinstem Ölpapier und stabilen Kartons verpackten fabrikneuen 60 Pistolen der Marke „Walther PP“ aus der Zeit von Januar-Februar 1945 gefüllt. Zu jeder Pistole gab es Unterlagen mit Beschussdokument. „Was hältst Du davon?“, fragte Werner. Ich antwortete, „ca, vier Jahre Knast für Dich und für mich in Bautzen, wenn nicht in kürzester Zeit das alles spurlos verschwinde!“ Werner hatte Otto von Bismark mit einigen seiner schlauen Sprüchen an der Wand hängen: Die Grafik zählt unter seinem Gesicht drei Eigenschaften von Otto von Bismarck auf, die oft helfen könnten. >>>Reaktionsfähigkeit auf Unvorhergesehenes, die Fähigkeiten, Optionen offenzuhalten, und der Blick für Gelegenheiten, für den richtigen Zeitpunkt, in dem gehandelt werden konnte<<< Nach Otto handelten wir dann ganz pragmatisch.

Die Griffschalen, das Papier, die Kartons und die Kiste verbrannte ich in der gleichen Nacht in meinen 1,7 Quadratmeter Heizkessel. Bei einem Bekannten, einem Schweißer besorgte Werner fünf Kilo Thermit Reaktionsmischung. Dort wurden nach zwei Tagen die Kleinteile zusammen mit den Magazinen in eine Büchse gefüllt und im Garten von Werner in Zelleroda angezündet. Es entstand ein undefinierbarer Metallklumpen, der anderen Tags in Immelborn am Bahnhof auf den Schrottplatz geworfen wurde. Die Schlitten und Griffstücke, wo man noch erkennen konnte, das es Pistolenteile waren, kamen in die Gießerei des Pressenwerkes in die „C36-C60 Stahlchargenkiste“ und wurden beim nächsten Grauguss – Abstich zu Exenterpressenrahmen vergossen. 1971 in ANNA 92, im Bunawerk habe ich bei meinem klugen Meister Rühlemann gelernt, wie man Waffen absolut spurlos verschwinden lassen kann. Nur damals ging es mal um eine einzige Pistole, die man per Thermit Reaktionsmischung in den Pistolenhimmel spurlos versenden kann. Ein Problem war die Herkunft der Kiste. Die war zum Glück absolut harmlos. Es war eine entfernte Großtante von der Zehnt, deren Mann mit fast 80 Jahren gestorben war und der verfügte, diese speziell Kiste vom Werner abholen zu lassen. „Wusste sie, was in der Kiste drin war?“ „Nein“ meinte Werner, „ich habe sie verschlossen mit zwei Schlüsseln in einem verklebten Briefumschlag und einer fetten Akte bekommen!“ Die Akte habe ich heute noch. Sie stammt von Herrn Othmer, einem Ehrenbürger von Bad Salzungen, der mal im Rathaus viele Jahre als Kämmerer gearbeitet hat. Daher stammen auch die alten Zollscheine von Langenfeld.

Ein Jahr später nach dieser Aufregung erzählt mir eine nähere Verwandte, sie hätte einen neuen Freund, den Bernd O. aus Wernshausen. Ich lerne Bernd kennen, und staune nicht schlecht. Seine Mutter war wohl die Gouvernannte von Fritz Walther, dem Pistolenfabrikanten. Sie war gestorben und hat ihn die Todenwarth und einige umliegende Grundstücke vererbt. Er hatte schon auf dem Nachbargrundstück ein Haus und eine kleine Schwarz-KFZ-Reparaturwerkstatt gebaut. In Schmalkalden arbeitet er als SKODA – KFZ- Schlosser. Und oh Wunder, ich habe einen Skoda S100 und habe mich sofort mit Bernd. O. angefreundet. Die Walther PPK Story habe ich ihm natürlich nicht erzählt, die blieb bis heute mein Geheimnis. Aber das Gebäude „Todenwarth“ interessierte mich brennend. Es dauerte nicht lange und ich war dort in jedem Raum, im Keller und auf dem Boden. Es sah schon mal wild aus damals. Fast alles kaputt! Von Bernds Mama waren noch schicke Vorkriegsklamotten vorhanden, wie Hüte mit schwarzen Schleier, elegante Regenschirme. Die Suppenteller waren nicht die Suppenteller von einfachen Leuten. Grünpflanzen waren in KPM Suppenterinnen verpflanzt. Aber es roch entweder muffig oder verschimmelt. Mich wunderte es nicht, dass Bernd sich das schicke Haus daneben gebaut hat. Nur zur Todenwarth hat er aus welchen Gründen auch immer keine Beziehung mehr. Er will das olle Ding los werden. Soll verkauft werden. Nur weg damit! Auf dem Boden fand ich einen kleinen Karton mit Familienfotos aus der Zeit vor 1900. Nachfolgend eine Text den ich mal vor einigen Jahren darüber geschrieben habe:
„Die Geschichte erfuhr ich schon mal anders 1967 in einer kalten Dezembernacht an der Berliner Mauer. Jahre später finde ich im Gerümpel des Hofes der Todenwarth zwei Fotos, welche eventuell irgendwelche Altforderen der Familie Walther darstellen. Das kleine alte Schloß Todenwarth gehörte nach 1900 bis 1945 wahrscheinlich der Familie Walther, dann überschrieb man wohl Grund und Gebäude einer ehemaligen Angestellten aus Schmalkalden. Seit 1886 auf dem Zella-Mehliser Katzenbuckel gibt es die Waffenmanufaktur Carl Walther, die durch mehrere Ereignisse berühmt, bekannt und berüchtigt wurde. Waffen und Rüstungsproduktion mit Häftlingsfertigung im KZ Neuengamme bei Hamburg, Zella-Mehliser Produktion von Rechenmaschinen, Fahrradteilen und Waffen durch Hunderte von Zwangsarbeitern während des II. Weltkrieg. Aber Rüstungsproduktion war schon immer technisch innovativ. Der Drehermeister Lieber Schorsch, aus dem Pressenwerk Bad Salzungen erklärte das 1962 seinen Lehrligen sehr fein: „Die Carl Walther-Waffenfabrik führte mit als erste das sogennannte „Grenzlehrensystem“ für Passungen in Deutschland ein, was die Austauschbarkeit eines jeden Teiles in der maschinellen Metallverarbeitung garantierte. Beispiel: Man produzierte eine Sattelaufnahmebohrung in 22H7 in Zella Zella-Mehlis und das dazugehörige Rohr in 22f6 in Hamburg, dann passten die Teile zusammen! Wenn Werkzeugmacher untereinander angegeben hatten, was sie mit ihrer Freundin gemacht haben, dann war die Bezeichnung H7 eine auf 7 Hundertstel Millimeter genaue Bohrung über NullNull eventuell für eine sogenannte Presspassung.“

Nach 1945 verschwand Fritz Walther mit Konstruktionsunterlagen, Patenten und Urheberrechten nach Ulm und begann dort einen Neustart mit mechanisch gefertigten Tötungswerkzeugen extremster Qualitäten. Wäre er in der damaligen Russischen Besatzungsszone geblieben, er hätte keine zwei Wochen überlebt. Die Todenwarth wurde dann Wohnung für Vertriebene und später ein Lehrlingswohnheim für die Kammgarnspinnerei Wernshausen. Der weite Burgbereich „Todenwarth“ ist innerhalb der Mauer ca. 66 Ar groß. Auf dem Gelände befanden sich zwei burgähnliche Wohnhäuser und eine Kemenate sowie Scheunen und Stallungen. Das Grundstück ist mit einer 2 bis 3 m hohen Sandsteinmauer von ca. 80 cm Stärke umgeben, in der zwei Einfahrtstore und drei Eingangstüren eingebaut sind. Im Lehnbuch des Grafen Wilhelm III. von Henneberg wird erwähnt, dass im Jahre 1456 die Gebrüder Wolff die „Wart“ unter Niederschmalkalden gelegen, genannt die „Todenwarth“ als Lehen empfangen haben. Die Gebrüder Wolff stammten aus bürgerlichem Geschlecht und wurden Anfang des 17. Jahrhunderts geadelt. Heute gehört es der Familie von Todenwarth wieder. Ein Zahnarzt aus Westdeutschland hat das Grundstück gekauft und inzwischen Denkmalschutzpreise eingeheimst.

Nach der Wende wurde Bernd O. mein spezieller PKW Lieferant für meine Werbefirma. Ein SEAT weißer Toleodo wurde geleast und das Leasing Geschäft ist leider ähnlich abgelaufen, wie bei Gerhalt Polt seinem Leasinghändler, der Firma Ismeier (https://www.youtube.com/watch?v=wgUolOiIiko)

Aber was solls – irgendwann ging seine SEAT Vertretung wegen Nichtbeachtung kapitalistischer Grundprinzipien den Bach runter. Dann fiel er traurigerweise beim Renovieren von einer Leiter, wo ich meine, der Herr gibt´s den seinen nicht immer im Schlaf. Manchmal geht es auch anders herum denke ich, als leidenschaftsloser Freidenker.

Nun aber noch mal weiter mit den Schätzen aus den Schlössern und Herrenhäusern unserer Umgebung, wo es eigentlich ganz schön lange gedauert hat, entgangenes künstlerisches historisches Privatvermögen heute wieder einzufordern. Die Provinienzforscher haben derzeit viel und voll zu tun. Problem heute aber, es ist oft kaum noch feststellbar, wem gehört was!

Ein schönes Beispiel ist ein Foto der kgl. pr. Messbild-Anstalt von 1909, aus dem Steinschen Schloss in Barchfeld, welches den kleinen Saal des Landgräflichen Schlosses abbildet. Zu sehen sind im kleinen Saal fünfzehn zu meist Porträt Gemälde, vier Barockkommoden, ein Trumeau Spiegel, ein eiserner Ofen, sowie Louis XVI Stühle um 1800. Im großen Saal sieht man sechzehn Porträt Gemälde der Altforderen, sowie Biedermeier Stühle aus der Zeit um 1840. Bis in die 1930er Jahre wohnten noch Teile der Familie im Schloss 1938 erwarb der Mülheimer Lederwarenfabrikant Hermann Berckemeyer (Sohn des absolut schwer reichen Hans Berckemeyer, Direktor der Hibernia AG.) Im Gegensatz zu vielen kalten Schlössern Thüringens, war die Wilhelmburg was ganz Feines! Es gab 30 beheizbare Räume! Es ist anzunehmen, dass fast alle Portraits mit zur Adelsverwandtschaft nach Hessen genommen wurden und wohl heute auch noch dort befindlich sind (https://www.wikiwand.com/de/Chlodwig_von_Hessen-Philippsthal-Barchfeld)

Trotzdem, ein Teil des antiken tonnenschweren Mobilars wurde in Barchfeld zu dieser Zeit um 1930 verkauft oder an das Personal verschenkt. Es war eine Zeit, wo sich feine Leute mit Art-Deco Sachen einrichtete). Damit begann der Verfall des einstigen Residenzschlosses. Aus dem Fürstenhaus wurde eine Lederwarenfabrik, später folgten Schlachthof und verschiedene fleischverarbeitende Betriebe. Sogenannte „Schloßbergungen“ aus der Frühzeit der DDR konnten in Barchfeld keine reiche Ernte abhalten. Es war alles schon weg. Die toten Schweine versauten das Parkett und irgendwann blieb nur noch die prachtvolle Barock-Decke erhalten. Nur, es gab zu DDR Zeiten „Antiquitäten-Sammler-Experten“, die wussten, wo in Barchfeld so manches Bild hängt und manches feines figürliche Porzellan auf einer Barockkommode steht. (Die hatten das Buch mit den schönen Bildern der königlich preußischen Fotoanstalt!) Einen Barchfelder Handwersmeister lernte ich persönlich kennen, der mal eine Kommode von einer Barchfelder Oma für wenige DDR Mark erwarb. Dazu bekam er noch eine Zigarrenkiste mit verschmutzten alten „Kupfermünzen“ geschenkt. Er zeigte mir die „Kupfermünzen“ nicht mehr in einer Zigarrenkiste, sondern in einer schwarzsamtigen Münzsammler Schublade. Es waren locker 300 Gramm Deutsche Goldmünzen. Die Oma kann nix dafür, Schätze zu erkennen, in der Barchfelder Grundschule kam Barock und Kunstgeschichte der Goldmünzen nicht vor. Der Sammler war Abiturient – er wusste das!

Insofern war es völlig normal, dass holzwurmverseuchte historische Möbel verbrannt, verschenkt, oder für ein Appel und ein Ei verkauft wurden. In den 70er Jahren konnte man jeden Tag, wenn man Zeit hatte, Kunstgut auf den wilden Deponien der Region gratis einsammeln. Aber auch mit ein paar Flaschen Bier konnte man auf der neuen Salzunger Deponie in Kloster Allendorf „Schätze“ besorgen. Zwar nur kleine, wie ein Koffergrammophon der 20er Jahre, Messing-Petroleumlampen, Jugendstil-Wandspiegel. Es gab damals auch kein Internet, wo man wie heute bei e-bay nachsehen kann, dass ein PATHÉ N°51 Koffergrammophon in „Schlangenleder“, derzeit locker 600 Euronen kostet!

„In Mitteldeutschland gibt es etwa 2.500 Schlösser und Herrenhäuser. Kaum eines verfügt heute über seine originale Ausstattung, wie Möbel, Bilder, Sammlungen. Das Schicksal der Schlösser und Herrenhäuser war stets dasselbe: 1945 verlassen, geplündert, durch die Bodenreform enteignet, mittels „Schlossbergung“ leergeräumt, als soziale Einrichtung oder für Wohnungen genutzt, heruntergewirtschaftet, entstellt und schließlich nach der Wende verkauft, in manchen Fällen an die Alteigentümer oder deren Erben.“ Quelle: Ute Gebhardt

Heute kann man per Internet „SUCHEN“ und „FINDEN“, wie bei https://www.lostart.de/de/start,
Die Lost Art-Datenbank dokumentiert Kulturgüter, die den Verfolgten der NS-Diktatur, insbesondere jüdischen Eigentümer:innen, zwischen 1933 und 1945 entzogen wurde
(„NS-Raubgut“), Die Lost Art-Datenbank enthält außerdem Meldungen zu Kulturgütern, die aufgrund der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges verbracht wurden („Beutegut“). Ihre Publikation soll der Unterstützung völkerrechtskonformer Lösungen dienen.

Quellen:
https://todenwarth.de/

https://www.ardmediathek.de/video/exakt-die-story/verlorene-schaetze-schlossbergungen-nach-dem-krieg/mdr-fernsehen/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9kNzEwZDliNC0xMGYxLTQwODYtYmJmNC04OGE5NmI1MDg1NjQ

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